Info-Veranstaltung vom 20. November 2019
Ein interessanter Diskussionsabend mit der Moderatorin Ulrike Holler fand am 20. November 2019 in der Ev. Akademie statt. Rund um die Frage “Wie schädlich ist Fliegen für die Umwelt?” erörterte das Podium, was Fliegen für uns bedeutet, aber auch wie wir umweltfreundlicher die Zukunft gestalten können.
Frank Wetzel (UBA) erklärte, dass wir heute um die Wichtigkeit und Schädlichkeit der Schadstoffe rund um und am Flughafen besser wüssten. Auch sei dies ein Thema im Klimaschutz, sodass sich das Umweltbundesamt fragt, wie man dies minimieren könne. Dabei gäbe es eine große Bandbreite an Maßnahmen, Subventionen, alternativ nachhaltige Kraftstoffe und natürlich einfach weniger Fliegen, so Wetzel vom Fachgebiet Schadstoffminderung und Energieeinsparung im Verkehr. Dabei müsse sich jeder die Frage stellen: Kann ich auf die Flugreise verzichten? Und wenn nein, wie kann ich dies kompensieren? Die ultrafeinen Partikel (UFP) kommen dabei erst jetzt in die Diskussion, da sie ein gesundheitliches Risiko darstellen würden. Außerdem stellte er die Frage, inwiefern Gebühren an den Verursacher sinnvoll sind, da dies nur “Durchlaufkosten” seien. Zum Thema Nachtflugverbot sagte Wetzel: “Wir wollen nachts gar keinen Flugverkehr.”
Prof. Sven Linow (Scientists for Future) sagte, dass die Fragestellung “Wie umweltschädlich ist Fliegen?” eine berechtigte sei. Bahnfahren ist heute gut möglich, allerdings komme man manchmal nicht um das Fliegen herum. Herausgestellt hat der Dozent an der Hochschule Darmstadt zudem, dass die verursachten Schadstoffe bis zu 100.000 Jahre in unserer Atmosphäre bleiben können. Aber auch der Lärm sei neben den Schadstoffen schädlich. Wie Lärm technisch zu mindern sei, sei jedoch eine Herausforderung. Dabei hielt er fest, dass neue Triebwerke deutlich weniger Lärm verursachen. Bei der gesamten Diskussion müsse man jedoch auch die Luftfahrtbranche verstehen, wenn man sie an einen Tisch hole. Hier ginge es letztlich um Geschäftsmodelle, wie z.B. das große Sparen bei den Billigfliegern, die Arbeitsplätze generieren, die nicht sozial seien. Die Infrastruktur der Bahn sei jedoch auf eigenen Kosten getragen. Sollte dies das Modell der Zukunft in Deutschland sein, bräuchte man 500.000 Windräder (was nicht realistisch sei), um sämtliche Energie für uns erzeugen zu können. Linows Fazit ist somit: “Wir müssen also mit allem reduzieren.”
Konstantin Nimmerfroh (Fridays for Future) schlug daraufhin vor, einen Anreiz zum Bahnfahren zu setzen z.B. durch eine Besteuerung des Fliegens, was dann in einen Topf für andere Bereiche – wie der Bahn – zu Gute käme. “Das soziale und gesundheitliche Wohlbefinden darf nicht auf Kosten anderer geschehen. Ich wünsche mir vom UBA mehr Aktivität. Ein Nachtflugverbot halte ich für realistisch machbar ohne dass unsere Wirtschaft danach zusammenbricht.” Bis heute stehe der Profit über dem Menschen (-wohl). Unsere Art zu Wirtschaften zerstöre dabei massiv die Umwelt. Das sehe man nicht Zuletzt im brasilianischen Amazonasgebiet. Die Bahn müsse gegen das Fliegen ankommen und somit generell billiger werden, sodass Bahnfahren für alle attraktiv werde.
Uta Maria Pfeiffer (BDL) erklärte, es sei das Ziel des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V. CO2-neutrales Fliegen zu erreichen. Dazu wären Ideen u.a. den CO2-Ausstoß auf alternative Antriebe und Kraftstoffe umzulenken, Emissionshandel zu betreiben und NOx bei Verbrennungsmotoren zu reduzieren. Zudem sei sie keine Verfechterin der Kerosinsteuer, da man heute Flughafenentgelte zahle. Zudem setzte Pfeiffer einen weiteren Fokus auf eine in Frankfurt kommende UFP-Studie. “Danach wissen wir, wie wir dagegensteuern können. Aber wir können auch jetzt schon was machen: z.B. den Schwefelgehalt reduzieren. Auch könnte man am Flughafen so wenig wie möglich die Triebwerke laufen lassen, sodass der Bodenbetrieb CO2-neutral sein könnte.” Auch die Verlagerung vom Fliegen auf die Schiene sei nicht erst seit heute ein Thema. Die Bahn müsse massiv ausgebaut werden, so Pfeiffer. “Die Bahn ist billiger als Fliegen.”
Anne Kretzschmar (Stay Grounded) konterte, dass sie sogenannte “Grünes Fliegen-Strategien” für Utopien halte: “Wir müssen den Wachstum des Fliegens stoppen. Es ist ein großes Problem, dass der Handlungsbedarf ständig auf die Zukunft verschoben wird. Die Klimakrise ist aber jetzt!” Ein Küchenofen-Projekt sei lediglich eine Verlagerung der Diskussion, führte sie weiter fort. Wir müssten uns gesellschaftlich damit auseinandersetzen. Und dabei ginge es nicht nur um das klimaschädliche Fliegen. Ferner thematisierte Kretzschmar die engen Vorschläge der Weltgesundheitsorganisation (WHO), denn würden die gehört, hätte die deutsche Bevölkerung gar keinen Fluglärm mehr. “Wir haben Hunderttausende Geschädigte, ob tagsüber oder nachts (wo es nicht lauter als 45 Dezibel sein dürfte). Politische Maßnahmen klaffen stark auseinander als was die WHO vorschlägt!” Am Ende stelle sich die Frage, was wir gesellschaftlich brauchen? Für Kretzschmar ist klar, dass es eine Reduktion des Fliegens braucht, da die Flugbranche wachse. Hier könne die Branche woanders investieren, z.B. wie bereits erwähnt in die Bahn. “Generell müssen wir unseren Lebensstil verändern, wenn sich auch die politischen Rahmenbedingungen endlich ändern.” Eine Hyper-Mobilität müsse verringert werden, sodass man nicht mehr über das Wochenende zum Shoppen nach London fliege.
Das von der Künstlerin Michaela Moon angefertigte “Graphic Recording” über die Diskussionsrunde der Klima-Veranstaltung finden Sie hier: