„Hybride oder elektrische Antriebe beim Abflug sind in 10 Jahren denkbar“

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„Hybride oder elektrische Antriebe beim Abflug sind in 10 Jahren denkbar“

Dr. Fethi Abdelmoula vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)-Institut für Flugsystemtechnik in Braunschweig
Airbus A320 mit Kennzeichen D-ATRA ist das größte DLR Luftfahrzeug

Airbus A320 mit Kennzeichen D-ATRA ist das größte Luftfahrzeug der DLR-Flotte, © DLR

Ein Interview der Stabsstelle mit dem Projektleiter Dr. Fethi Abdelmoula vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)-Institut für Flugsystemtechnik in Braunschweig über das Low Noise Augmentation System (LNAS) und wie es uns in eine Zukunft mit lärm- und treibstoffeffizienten Anflügen bringen kann.

Karina Mombauer [KM]: Was ist das Low Noise Augmentation System (LNAS) und welche Zielsetzung verfolgen Sie damit?

Fethi Abdelmoula [FA]: LNAS unterstützt Piloten bei lärm- und treibstoffeffizienten Anflügen. Es zeigt über ein Display im Cockpit an, wann exakt welche Handlung durchzuführen ist. Diese Anzeige auf dem Electronic Flight Bag (EFB), die durch ihre einfache Darstellung intuitiv und auf einen Blick erfasst werden kann, dient als langfristige Planungsgrundlage für den gesamten Anflug. Das ideale Anflugprofil ist dabei in unterschiedliche Phasen aufgeteilt. Die optimalen Zeitpunkte für das Setzen der Landeklappen und das Ausfahren des Fahrwerks sind im Anflugprofil jeweils markiert. Handelt der Pilot nach diesen Vorgaben, kann der Anflug von der Reiseflughöhe bis hinunter auf die Stabilisierungshöhe von 1.000 Fuß über Grund mit minimalem Schub und damit möglichst geringer Geräuschentwicklung und möglichst geringem Treibstoffverbrauch durchgeführt werden.

[KM]: Welche Ergebnisse konnten Sie am Flughafen Zürich gewinnen? Gab es Überraschungen?

[FA]: Der zentrale Fokus des LNAS-Assistenzsystems liegt in der Reduktion der akustischen Ausreißer, welche überproportional zur Lärmbelastung beitragen. Denn einzelne besonders laute Anflüge sind für Anwohner besonders störend. Mit Hilfe von LNAS gelang es, diese Ausreißer zu vermeiden und damit auch die lautesten Anflüge um bis zu 3 Dezibel leiser zu machen, was einer wahrnehmbaren Verringerung der Lautstärke um etwa ein Drittel entspricht.
Auch beim Treibstoffverbrauch konnten positive Ergebnisse erzielt werden. Auf den letzten knapp 50 Kilometern vor der Landebahn brauchten die Pilotinnen und Piloten mit LNAS weniger Kerosin als ohne LNAS.

[KM]: Wie weit sind Ihre LNAS-Projektplanungen am Flughafen Frankfurt und gehen Sie hier ähnlich wie in Zürich vor?

[FA]: Bereits im September 2016 führten wir erfolgreich Flugversuche am Flughafen Frankfurt mit LNAS durch. Im Anschluss rüsteten wir mehr als 150 Lufthansa Flugzeuge mit LNAS aus. Damit ist eine Langzeiterprobung im operationellen Betrieb gewährleistet, die aber wie der gesamte Flugverkehr durch COVID-19 zurzeit eingeschränkt ist.

[KM]: Was erhoffen Sie sich durch Ihre Forschungen (nach Zürich) am größten deutschen Flughafen in Frankfurt?

[FA]: In der Forschung streben wir stets nach Verbesserungen. Die Forschungsprojekte bauen aufeinander auf. Die gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse fließen in zukünftige Projekte ein, damit der Nutzen der Allgemeinheit zugutekommt.
In Zürich haben wir ein anderes Anflugverfahren erprobt. Die Erkenntnisse aus der Erprobung mit dem A320ATRA des DLR in Frankfurt 2016 wurden bei den nachfolgenden Versuchen in Zürich berücksichtigt. Genauso werden nun die Erkenntnisse der Erprobungsflüge mit dem DLR-ATRA in Zürich bei der Langzeiterprobung mit Lufthansa in Frankfurt zugutekommen.

[KM]: Mit dem Fokus auf Fluglärm: In welcher Welt wünschen Sie sich 2030/2040 zu leben und welche Ziele sind bis dahin realistisch erreichbar?

[FA]: Natürlich wünsche ich mir, wie viele andere auch, dass Flugzeuge, Autos und Züge keinen störenden Lärm mehr erzeugen. Realistisch ist das technisch aber nicht von heute auf morgen umsetzbar. Dies erfordert noch viel Grundlagenforschung und neue Konzepte für unsere zukünftige Mobilität. Hybride oder elektrische Antriebe, welche beim Abflug weniger Lärm emittieren sind mittlerweile in der Geschäfts- und Regionalfliegerei in den nächsten zehn Jahren denkbar geworden.

[KM]: Herr Abdelmoula, vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg bei Ihren Forschungsprojekten.