Der Preis der Mobilität

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Der Preis der Mobilität

Zusammengefasster Bericht zum Vortrag, Podium und zur Diskussion vom 04.09.2019

Am 4. September 2019 fand in der Evangelischen Akademie die Veranstaltung „Der Preis der Mobilität“ der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach, sowie des Zentrums Gesellschaftlicher Verantwortung (ZGV) statt. So hörte das Publikum zum einen den Vortrag von Kai Schlegelmilch (Vorsitzender und Mitgründer des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und zum anderen eine Podiumsdiskussion mit den Debattierenden: Cara Speer (Fridays for Future Wiesbaden), Dr. Astrid Matthey (Umweltbundesamt (UBA) und Prof. Yvonne Ziegler (Frankfurt University of Applied Sciences, Schwerpunkt Luftverkehrsmanagement).

Fliegen zu Dumpingpreisen – Ist eine Kampfpreissteuer gegen Billigtickets unter 50 Euro notwendig? Und wie kann die Zahl von knapp 50 Millionen der in Deutschland zugelassenen PKWs verringert werden? Im Rahmen der Abendveranstaltung wurde das Thema beleuchtet, wie gerechte Preise das Mobilitätsverhalten der Deutschen beeinflussen könnten, da wirtschaftliche, steuerrechtliche und ökologische Fragen unseren Lebensstil beeinflussen. Die sogenannten Umweltkosten, die zu wachsenden ökologischen Folgeschäden führen, seien nicht im Preis widergespiegelt. Die Schäden trage hier die Gesellschaft, so die Initiatoren der Veranstaltung. Können oder sollen also Umweltkosten den Verursachenden angelastet werden und somit zu einem Steuerungsinstrument für ein nachhaltiges Mobilitätsverhalten und –Angebot werden?

Kai Schlegelmilch thematisierte in seinem Vortrag die unterschiedlichen Subventionen im Verkehrssektor, die 28,6 Milliarden Euro betragen würden. Zusammengesetzt werde diese Zahl (Quelle UBA 2016 und eigene Berechnungen FÖS) durch die Energiesteuervergünstigung des Diesels (7,4 Mrd. Euro), Entfernungspauschale (5,1 Mrd. Euro), Steuervorteile Dienstwagen (3,1 Mrd. Euro), Steuerbefreiung Kerosin (7,1 Mrd. Euro), Luftverkehrsabgabe (1,0 Mrd. Euro) und die Mehrwertsteuerbefreiung internationaler Flüge (4,8 Mrd. Euro).

Ein weiterer Fokus Schlegelmilchs Vortrages war der Abbau umweltschädlicher Subventionen, speziell das Kerosin- und Mehrwertsteuerprivileg im Luftverkehr. Hier sah er das Problem, dass das Flugzeug der umweltschädlichste Verkehrsträger mit rund 10,4 Milliarden Euro Subventionen sei. Das Einstimmigkeitsprinzip in der EU verhindere jedoch die Einführung einer EU-weiten Kerosinsteuer, so der Vorsitzende. Seine Lösung:

  • Effektives globales Regime,
  • Kurzfristige Ausweitung der Luftverkehrsteuer,
  • Besteuerung des im deutschen Luftraum verbrauchten Treibstoffes,
  • Mehrwertsteuer für deutschen/europäischen Streckenanteil,
  • Abbau der Subventionen für Regionalflughäfen.

Hier seien bereits einige Staaten Europas bei der Luftverkehrsteuer/Ticketsteuer weiter:

  • Vereinigtes Königreich: substantielle Erhöhung in 2007 à Steuern liegen zwischen 12,50 Euro und seit 2009 über 100,00 Euro (1. Klasse deutlich höher als 2. Klasse),
  • Frankreich in 2007,
  • Niederlande in 2010, wurde jedoch 2011 abgeschafft und soll 2021 wieder eingeführt werden,
  • Deutschland erhebt seit 2011 8,00 Euro für nationale, 25,00 Euro auf europäische und 40,00 Euro auf internationale Flüge. Faktisch liegen sie jedoch etwas niedriger, weil der Emissionshandelspreis davon abgezogen wird,
  • Italien seit 2012 (Aero-Taxi und Hubschrauber-Taxi Steuer): 10,00 Euro für Reisen < 100 Kilometer, 100,00 Euro für Reisen 100 bis 1.500 Kilometer 200,00 Euro für Reisen > 1.500 Kilometer.

Eine Rückerstattung der Steuern aus dem Aufkommen der Wärme und des Verkehrs könnte nach dem FÖS nach folgendem Modell (s. Bild „Rückerstattung aus Aufkommen Wärme und Verkehr“) erfolgen. Auch einen Ansatz für eine ökologische Finanzreform stellte Kai Schlegelmilch vor (s. Bild „Ansätze für eine Ökologische Finanzreform“). Das Fazit seines Vortrages war, dass er einen hohen Handlungsbedarf im Verkehrsbereich sehe und verschiedene Instrumente Lösungsansätze bieten würden, damit der Preis stärker die ökologische Wahrheit abbilde. So beendete er seinen Vortrag mit folgenden Ausblicken:

Umweltökonomische Instrumente sind effizient und effektiv. Wir sollten das Aufkommen nutzen, um Gelegenheitsfenster zu öffnen, die Akzeptanz zu erhöhen, soziale Härten zu vermindern, aber auch die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern und Ziele flankieren.

Der anschließenden Debatte schlossen sich die Teilnehmenden mit folgenden Aussagen an:

  • Yvonne Ziegler (Frankfurt University of Applied Sciences):

„In der Luftfahrtbranche herrscht ein großes Bewusstsein, dass man was tun muss. Das weiß ich auch noch aus meiner Tätigkeit bei der Lufthansa. Das Bio-Kerosin ist schwierig umzusetzen, weil nicht Zuletzt der Anbau nicht nur eine soziale, sondern auch eine logistische Frage ist. Eindeutig muss man aber zugeben, dass die Airlines hier die letzten Jahre verschlafen haben. Zwar werden die Triebwerke langsam besser, aber die Einführung eines CO2-Preises ist für die Luftverkehrsindustrie nicht die Lösung, da es übergreifende Verträge gibt. Dazu muss auch gesagt werden, dass die aktuellen Einkünfte der Luftverkehrssteuer der Bund nicht z.B. in die Triebwerksforschung steckt, sondern andere Löcher in der Haushaltskasse stopft.“

  • Astrid Matthey (UBA):

„Wir arbeiten daran, die Umweltkosten – so weit es geht – zu messen, denn gerade die Luftfahrt in Deutschland wächst jährlich um 5 Prozent. Die Effekte der Emission werden aktuell genau erforscht. Wir wissen heute, dass die Verbrennungsreaktion von Flugzeugen in der eigentlich trockenen Atmosphäre gefährlich ist. So kommt nämlich Wasser in die Sphären und Wolken entstehen, was gefährlich ist, denn diese Feuchtigkeit fördert den Treibhauseffekt um den Faktor zwei bis sogar fünf. Wir denken, dass man Abgaben flughafenspezifisch steuern könnte, sodass es egal ist, ob wir eine deutsche oder eine ausländische Fluggesellschaft besteuern. Dies kann auch über das Nachtanken der Flugzeuge auf europäischem Boden erfolgen.“

  • Cara Speer (Fridays for Future):

“Unsere Ziele sind bis 2035 die Klimaneutralität zu erreichen. Also auch ein Ende der klimaschädlichen Subventionen zu bewirken. Dies muss natürlich sozial verträglich gestaltet werden. Jeder weiß schon heute, dass man in der Stadt Rad fahren kann. Ich weiß, dass es leider immer noch ein Trend ist z.B. nach dem Abi nach Australien zu fliegen, aber neu ist, dass endlich der Nachhaltigkeitsaspekt in meiner Generation diskutiert wird. Ein großer Wendepunkte wäre es schon alleine, wenn Bahnfahren nicht mehr so teuer und unzuverlässig wäre.“

Rückerstattung

Quelle: FÖS "Rückerstattung aus Aufkommen Wärme und Verkehr" ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer

ansätze öko finanzreform

Quelle: FÖS "Ansätze für eine Ökologischen Finanzreform" ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer

Podiumsdiskussion

Podiumsdiskussion in der Ev. Akademie ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer

Dr. Astrid Matthey vom UBA am Mikrofon

Dr. Astrid Matthey (UBA) am Mikrofon ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer

Cara Speer von F4F

Cara Speer (Fridays for Future) erklärt die Ziele ihrer Bewegung ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer

Cover

Veranstaltungs-Cover: Wenn der Preis die Wahrheit sagen würde - "Gerechte Preise" für unser Mobilitätsverhalten ©Stadt Frankfurt, Karina Mombauer